Astrourlaub Namibia 2011 - Astrodeepsky

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Baden in Sternen
Eine Woche auf der Farm Kirpotib in Namibia
Seit meinem zwölften Lebensjahr bin ich Hobbyastronom. Und seit rund zehn Jahren stolzer Besitzer einer kleinen eigenen Sternwarte im klimatisch dafür nicht sonderlich gut geeigneten Osnabrücker Land. Und natürlich wuchs, wie wohl bei jedem Hobbyastronomen, im Laufe der Zeit der Wunsch, auch den Südsternhimmel mit seinen prächtigen Objekten einmal selbst zu erleben. Im Herbst 2010 stand mein Entschluss fest und vom 30.05 bis zum 06.06.2011 war ich schliesslich in Namibia.
Meine Wahl fiel auf die Astrofarm Kiripotib, nicht zuletzt weil mir der Internetauftritt von Rolf Scheffer für Kiripotib am besten gefallen hat. Ich fand dort einen schnellen und umfassenden Überblick über die geeigneten Beobachtungszeiträume und das vorhandene Instrumentarium. Die Buchung von Unterkunft und Gerätschaften verlief schnell und unkompliziert. Die Beratung bezüglich der geplanten Astroaktivitäten war schon im Vorfeld freundlich und sehr kompetent.
Am Anreisetag wurden ein befreundeter Sterngucker und ich frühmorgens um sechs von Claudia, Hans und Tim, den Besitzern der Farm, am Flughafen von Windhuk abgeholt und in knapp zwei Stunden zum Farmgelände chauffiert. Eine neue Welt tat sich für mich auf - weites Land mit leeren Strassen und Schotterpisten, Linksverkehr, die Zäune der riesigen Farmen, ein paar wilde Tiere, mit hohem Gras bewachsenes Buschland bis zum Horizont.
Dann das erste Frühstück auf diesem wunderschönen Platz vor dem Haupthaus, zusammen mit fünf weiteren Sternfreunden, die schon seit einer Woche vor Ort waren. Ich habe diesen Platz mit seinem freien Ausblick sehr gemocht und hätte ihn gern mit nach Hause genommen.
Frühstück mit Sonnenbrille und Blick in die Ferne
In der Astrosaison sind die Essenszeiten für die Gäste der Farm auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig. Frühstück um elf, Abendessen um siebzehn Uhr. Dazwischen Kaffee und Kuchen und um Mitternacht die warme Suppe in der Aufwärmhütte. Aber - um 18:30 Uhr ist es dunkel, dann muss man raus. Spätestens um Mitternacht ist einem kalt, da tut die Suppe gut und selbst um elf Uhr morgens muss man sich, spätestens am dritten Tag, übernächtigt aus dem Bett quälen.
Unbedingt loben muss ich an dieser Stelle die ausgezeichnete Qualität des Essens und den tollen Service der ganzen Kiripotib-Mannschaft. Kartoffeln mit Rotkohl und Kudu - wo gab es das schon mal? Außerdem müssen der südafrikanische Rotwein und auch das "Tafellager" hier unbedingt eine positive Erwähnung finden.
Am Nachmittag des ersten Tages haben wir dann das eigentliche "Astrocamp" in Augenschein genommen und von Rolf Scheffer eine Einweisung in die gemieteten Instrumente bekommen. Um es kurz zu machen - die ganze Anlage ist hervorragend geplant, ausgeführt und ausgestattet, die ganze Organisation des Betriebes erlaubt es, sich voll und ganz auf die Beobachtungen zu konzentrieren. Dank eines sehr umfangreichen Zubehörlagers, welches auf den Namen "Schatzkästchen" hört, sind kleinere technische Probleme schnell vor Ort zu lösen.
Also, um 18:30 ist es dunkel, dann muss man raus. Ich kann nur jedem Sternfreund der zum erstem Mal nach Namibia fährt dringend empfehlen, sich intensiv auf die Reise vorzubereiten, damit ihm keine kostbare Beobachtungszeit durch Suchen, Basteln oder Rumprobieren verloren geht:
- Welche Objekte will ich beobachten?
- Wann stehen diese Objekte wie hoch über dem Horizont?
- Welche Instrumente haben ein geeignetes Gesichtsfeld?
- Passt meine Kamera zur gemieteten Optik, wenn ich Fotos machen will?
- Kann ich meine Kamera anschließen?
- Ist ein Autoguider vorhanden?
- Kommt mein Laptop mit dem Autoguider klar?
Auch die klimatischen Begebenheiten im Winter im Buschland müssen beachtet werden. Bei teilweise lausigen -5°Celsius in den frühen Morgenstunden war ich über den mitgebrachten Rollkragenpullover und die Skiunterwäsche sehr froh.
Blick von der Schiebedachsternwarte auf die Beobachtungsplattformen - im Hintergrund die Aufwärmhütte
Im allgemeinen bin ich Hobbyastronom, im speziellen Hobbyastrofotograf. Und so hatte ich mir schon zu Hause eine Liste mit den Daten von etwa 25 Objekten angefertigt - meinen persönlichen Highlights. Klangvolle Namen wie "Große Magellansche Wolke", "Kleine Magellansche Wolke", "Eta-Carinae-Nebel" und "Omega Centauri" standen da. Aber auch bestimmte, uns im Norden weniger bekannte H-alpha-Gasnebel, denen mein besonderes Interesse gilt. Beim Abgleich der Objektdaten mit dem Gesichtsfeld von Optik und Kamera kam ich schnell zu dem Schluss, dass ich gar keine große Optik brauchen würde, um diese Objekte abzulichten.
Als Ausrüstung standen mir schließlich in der Zeit auf Kiripotib zwei lichtstarke APO-Teleobjektive mit 150 mm und 300 mm Brennweite von Sigma (beide aus Deutschland mitgebracht) und ein TS 90 Triplett-APO-Refraktor mit Flattener und 600 mm Brennweite zur Verfügung. Den APO-Refraktor sowie eine Vixen-Montierung GP-D2 mit MiniBorg Leitfernrohr hatte ich bereits bei der Buchung auf Kiripotib mitgemietet. Die GP-D2 hat in allen Nächten störungsfrei und mit völlig ausreichender Genauigkeit ihre Aufgabe erfüllt. Der APO hat sehr gute Abbildungseigenschaften (wesentlich farbreiner als die Teleobjektive), allerdings fehlte mir ein Zwischenring mit 4 mm Länge für den vorgeschriebenen Arbeitsabstand meiner Kamera/ Flattener-Kombination, so dass ich mit einer geringen Restkoma leben musste. Mein Fehler. Was habe ich oben geschrieben? Gute Vorbereitung ist äußerst wichtig!
Ferner stellte mir Rolf freundlicherweise ein 50 mm Objektiv für ein Mosaik der Milchstraße, vom Eta-Carinae-Nebel über den Kohlensack bis zu den Dunkelnebeln bei Toliman, zur Verfügung. Als Kamera kam ausschließlich meine ebenfalls aus Deutschland mitgebrachte QSI583wsg mit dem üblichen Filtersatz (RGB-L-H) zum Einsatz. Auch dieser Kamera kann ich nach sechstägigem Dauereinsatz in jeder Hinsicht nur beste Noten geben.
Nächtliche Aktivitäten an den Beobachtungsplattformen
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Vorbereitung war für mich die begrenzte Zeit. Sechs Beobachtungsnächte mit jeweils höchstens zehn Stunden Dunkelheit standen mir zu Verfügung.
Richtig gute Aufnahmen brauchen nach meiner Erfahrung drei bis vier Stunden Belichtungszeit. Ich hatte aber in einer Woche schlicht keine 25 x 4 = 100 Stunden Beobachtungszeit (geschweige denn Belichtungszeit!). Daher hatte ich im Vorfeld schweren Herzens entschieden, mich mit ein bis zwei Stunden Belichtungszeit pro Objekt zu begnügen und dafür die Zahl der Fotos zu erhöhen (man weiß ja nicht, ob man da noch mal hinkommt!). Am Ende hatte ich die Daten von 22 Objekten meiner Liste auf der Festplatte - eine Ausbeute mit der ich sehr zufrieden bin.
Die Auswertung des gesamten Datenvolumens von rund 15 GB (in Summe immerhin 31 Stunden Belichtungszeit für alle Objekte) wird wohl noch Monate in Anspruch nehmen. Erst danach wird sich zeigen, welche Aufnahmen auch wirklich gelungen sind. Und - ein Hinweis in eigener Sache - alle gescheiten Aufnahmen werden, wenn sie fertig sind, auf meiner Homepage www.astrodeepsky.de erscheinen.
Nun zur ersten Nacht unter südlichem Sternhimmel. Genauer gesagt zu den ersten fünfzehn Minuten. Solange habe ich gebraucht um realisieren, was ich da sehe. Rolf Scheffer sagte (sinngemäß) beim ersten Abendessen: "Tut mir einen Gefallen, seht nicht nach oben, wenn ihr aus eurem Zimmer kommt. Geht ein Stück in Richtung Sternwarte und wenn ihr im Dunkeln seid und die Augen sich etwas adaptiert haben, dann seht nach oben." Ich habe mich an diesen Rat gehalten, auch wenn es sehr schwer fiel. Dafür werde ich diesen Anblick tatsächlich nie mehr vergessen. Ich werde hier auch gar nicht versuchen, den ersten Eindruck dieser Pracht zu beschreiben - dass muss jeder selbst erleben.
Nur eines vielleicht: ich habe erfahren, dass es in Namibia nur dann wirklich dunkel sein kann, wenn es bewölkt ist. Steht die Milchstraße am Himmel ist es so hell, dass man nachts ohne Lampe bestens zurechtkommt. Die mitgebrachten "Sky Quality Meter" zeigten in allen Nächten Werte um 21,7 mag an, allerdings nur, wenn man sie nicht auf die Milchstraße ausrichtete.
Was dann kam war feinster Hobbyastroalltag. Aufbauen, ausrichten, Guider anwerfen, fokussieren, programmieren (MaximDL sei Dank) und Aufnahmeserien starten. Weil die einzelnen Beobachtungsplattformen zueinander in Rufweite stehen, wurde die eigene Konzentration nur durch einige derbe Flüche von nebenan (sieben Hobbyastronomen auf einen Streich) unterbrochen. Ach ja, ich hätte ihn fast vergessen: und durch einen asthmatischen Esel irgendwo in der näheren Umgebung. Offensichtlich ein nachtaktives Tier (oder eines mit starken Albträumen) - sein Geschrei unterband jedenfalls sechs Nächte lang durchgängig alle Einschlaftendenzen.
Der Eta-Carinae-Nebel ist für mich - und ich werde nicht der Einzige sein - das Highlight schlechthin am südlichen Sternhimmel (Aufnahme mit dem 90/600 TS APO-Refraktor der Farm, H-L-RGB mit 100 Minuten Belichtung (je Kanal 20 Minuten) und einer Kamera QSI583ws)

Läuft die Aufnahme, hat man Zeit in den Himmel zu sehen. Milchstraße und Magellansche Wolken, Kohlensack und Pfeifennebel, Carina und Scorpius. Baden in Sternen. Gelegentliches "Oh" und "Ah", wenn mal wieder ein besonders heller Meteorit über den Himmel zog. Sehen was die Anderen machen, tiefschürfende Diskussionen über Bildbearbeitung, Dobson und Astroforen. Suppe essen oder Wein trinken in der Aufwärmhütte. Wenn einen die Müdigkeit übermannt, mal eben für ein Stündchen aufs Ohr hauen und mit dem Wecker zur nächsten Aufnahmesequenz wecken lassen.
Und in der Morgendämmerung standen Merkur, Venus, Mars und Jupiter, wie aufgereiht, senkrecht über dem Horizont.
Eine Woche Sternegucken in Namibia - es hat sich gelohnt. Ich bin dankbar für alle Eindrücke und Erfahrungen, die ich in der Zeit auf Kiripotib gewonnen habe und kann nur jedem Hobbyastronomen diese schlaflosen Nächte empfehlen.

Osnabrück, im Juni 2011
Gerd Althoff
30.10.2023
Gerd Althoff
info@astrodeepsky.de
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